Interaktionistisches Rollenmodell nach Krappmann

Lothar Krappmann entwickelte das interaktionistische Rollenmodell auf Grundlage des Symbolischen Interaktionismus von George Herbert Mead. Krappmann erweiterte Meads Ansatz, indem er sich insbesondere auf die soziale Interaktion und die Identitätsentwicklung von Kindern und Jugendlichen fokussierte. Dabei betont er, dass Identität in sozialen Interaktionen entsteht und ständig neu ausgehandelt wird.

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Beschreibung

Interaktionistisches Rollenmodell nach Krappmann

Krappmann baut auf Meads Theorie des Symbolischen Interaktionismus auf und sieht Identität als balancierenden Akt zwischen den Erwartungen der Gesellschaft und den eigenen Bedürfnissen und Interessen. Er betont, dass die soziale Identität im Rahmen der sozialen Rollen geformt wird, die Menschen in der Interaktion einnehmen. Dabei muss das Individuum flexibel agieren und verschiedene Rollen einnehmen können, um sich in sozialen Beziehungen zu behaupten.

Krappmann stellt dar, dass Individuen in sozialen Interaktionen ständig zwischen folgenden Polen balancieren:

  • Persönliche Bedürfnisse vs. gesellschaftliche Erwartungen
  • Selbstentfaltung vs. Anpassung an Rollen

Vier identitätsfördernde Fähigkeiten

Damit eine Person diese Balance zwischen den eigenen Wünschen und den Erwartungen der Gesellschaft erfolgreich meistern kann, braucht sie vier zentrale Fähigkeiten:

  1. Empathie (role-taking): Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und deren Perspektive zu verstehen. Dies erlaubt es einer Person, die Erwartungen und Bedürfnisse der anderen zu antizipieren. In der Interaktion ist es wichtig, zu verstehen, wie die eigenen Handlungen auf andere wirken und was von einem erwartet wird.

    Praxisbeispiel: Ein Kind in der Grundschule muss verstehen, wie seine Mitschülersich fühlen, wenn es mit ihnen in der Pause spielt oder Aufgaben teilt. Diese Fähigkeit hilft dem Kind, Rücksicht zu nehmen und Konflikte zu vermeiden.

  2. Ambiguitätstoleranz: Die Fähigkeit, mit widersprüchlichen Erwartungen und unklaren Situationen umzugehen, ohne sofort eine feste Position einzunehmen oder in Unsicherheit zu verfallen. Menschen müssen aushalten können, dass es oft mehrere richtige Antworten oder Verhaltensweisen gibt.

    Praxisbeispiel: Ein Kind muss lernen, unterschiedliche Erwartungen – etwa die der Lehrer und der Freunde – zu verstehen und zu balancieren. Es könnte etwa im Unterricht still sein müssen, während es in der Pause laut und aktiv sein darf.

  3. Identitätsdarstellung: Die Fähigkeit, sich selbst authentisch zu zeigen und seine eigene Identität in der Interaktion mit anderen auszudrücken, ohne die Erwartungen der Gruppe oder der Gesellschaft völlig zu unterdrücken. Diese Fähigkeit erfordert es, eigene Bedürfnisse zu formulieren und dabei im sozialen Kontext zu agieren.

    Praxisbeispiel: Ein Kind möchte vielleicht bestimmte Vorlieben oder Fähigkeiten zeigen (z.B. Lieblingsspiele, besondere Interessen), muss aber gleichzeitig darauf achten, dass es in der Gruppe gut ankommt und nicht zu sehr aus der Rolle fällt.

  4. Balance zwischen Expressivität und Anpassung: Die Fähigkeit, in sozialen Situationen sowohl den eigenen Ausdruckswillen zu wahren als auch die notwendige Anpassung an gesellschaftliche Normen und Erwartungen zu finden. Es geht darum, authentisch zu sein, ohne sozial unerwünscht zu handeln.

    Praxisbeispiel: Ein Grundschulkind möchte beispielsweise seine Meinung äußern (z.B. „Ich mag dieses Spiel nicht“), muss aber lernen, dies auf eine Weise zu tun, die nicht aggressiv oder verletzend für die anderen ist.

Zusammenfassung:

Das interaktionistische Rollenmodell nach Krappmann beschreibt, wie Identität durch soziale Interaktion entsteht. Die vier identitätsfördernden Fähigkeiten helfen dabei, ein Gleichgewicht zwischen individuellen Wünschen und gesellschaftlichen Erwartungen zu finden. Empathie, Ambiguitätstoleranz, Identitätsdarstellung und die Balance zwischen Expressivität und Anpassung sind essenziell für die Entwicklung einer stabilen und flexiblen Identität.

Quellen:

  1. Krappmann, Lothar (1971): Soziologische Dimensionen der Identität: Strukturelle Bedingungen für die Teilnahme an Interaktionsprozessen. Stuttgart: Klett-Cotta.
  2. Krappmann, Lothar (2007): Bildung und Identität: Die Theorie symbolischer Interaktion in der Pädagogik. Beltz Verlag.
  3. Mead, George Herbert (1934): Mind, Self, and Society. Chicago: University of Chicago Press.
  4. Hurrelmann, Klaus & Bauer, Ullrich (Hrsg.) (2015): Handbuch Sozialisationsforschung. Weinheim: Beltz.